Erfassen von Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten Anderer und Ableiten geeigneter Verhaltensmuster

Situationsanalyse

Für den Sicherheitsmitarbeiter ist es vor allem wichtig, die Situation richtig einzuschätzen. Und dies gelingt sehr viel besser, wenn man auch sich selbst gut einschätzen kann. Dazu sollte der Sicherheitsmitarbeiter seine eigenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen regelmäßig überprüfen:

Fachkompetenz: Wie gut sind die Kenntnisse über Recht?

Methodenkompetenz: Wie gut ist das Wissen in den Themengebieten Dienstkunde, Gefahrenabwehr, Schutz- und Sicherheitstechnik?

Sozialkompetenz: Wie gut kann man sich und andere einschätzen? Wie gut kann man mit anderen Menschen umgehen oder Konflikte bewältigen?

Wie man sieht, sind diese 3 Kompetenzen auch diejenigen, die in den 3 großen Themengebieten der GSSK stark einfließen:

  • Rechts- und Aufgabenbezogenes Handeln (Rechtskunde, Dienstkunde)
  • Gefahrenabwehr sowie Einsatz von Schutz- und Sicherheitstechnik
  • Sicherheits- und Serviceorientiertes Verhalten und Handeln (Umgang mit Menschen, Konfliktbewältigung)

Situationsangepasste Entscheidungen

Der Sicherheitsmitarbeiter sollte Auftrags-, Tätigkeits- und Objektbezogen handeln können. Daher ist zum Beispiel das genaue Kennen der Dienstanweisung, des Objektes oder auch anderer Vorschriften (z.B. DGUV 23) unabdinglich. Das hilft Zusammenhänge in speziellen Situationen zu erkennen.

Außerdem muss der Sicherheitsmitarbeiter Möglichkeiten kennen, um Gefahren vorzubeugen/abzuwehren:

TOP Prinzip

  • Technischer/Baulicher Art: Einzusetzende Gerätschaften, Kenntnisse über den Ort
  • Organisatorischer Art: Zusammenarbeit mit anderen Kräften
  • Personeller Art: Unterstützung anfordern

Dazu sollte man sich im Allgemeinen stets über aktuelle (lokale, objektbezogene) Sicherheitslage informieren.

Wenn man diese genannten Kenntnisse und Fertigkeiten hat, so fällt es leichter die Situation zu analysieren.

Die Situationsanalyse kann man in 3 Schritten aufteilen:

  • Lagefeststellung (Beobachten)
  • Lagebeurteilung (Überlegen)
  • Entschluss (Handeln)

Lagefeststellung

Als erstes macht man sich ein Bild von der Situation. Am besten nach den 7 goldenen W’s.

  • WER? – Personen (und dessen Wirkungsfaktoren)
  • WO? – Ort (Öffentlich/Privat, Behinderungen, Sperrungen)
  • WANN? – Zeitpunkt (Tag/Nacht, Wochenende?)
  • WAS? – Ereignis (z.B. Straftaten oder unerlaubte Handlungen/verbotene Eigenmacht?)
  • WARUM? – Motiv (für sich oder andere? aus Angst?)
  • WOMIT? – Hilfsmittel (Werkzeug, Waffe, Gegenstand)
  • WIE? – Tatablauf (durch Einbruch, durch Zerstörung, durch Unterlassen etc.)

Lagebeurteilung

Die Lagebeurteilung ist sozusagen die fortlaufende Prüfung der Situation. Man sollte sich ständig fragen:

  • Ist die Sicherheit, Schutz oder die Ordnung (weiterhin) bedroht?
  • Drohen (weitere) Schäden oder Gefahren?
  • Gibt es geeignete Maßnahmen den Normalzustand wiederherzustellen, damit die Schutzziele erreicht werden?

Entschluss

Nach der Lagefeststellung und der Lagebeurteilung fällt man eine Entscheidung, also einen Entschluss, welche Maßnahmen man einleitet und handelt. Der Entschluss muss in einer Situation auch in kürzester Zeit getroffen werden können!

Ursachen von Verhaltensfehlern

Eine häufige Ursache von Verhaltensfehlern sind Vorurteile gegenüber Menschen, denn sie sind eine ungeprüfte Übernahme von Meinungen anderer ohne eigene Erfahrungen gemacht zu haben. Meistens sind sie negativ behaftet und führen zu einer Abneigung oder anderem Fehlverhalten gegenüber anderen Menschen. Auch können Vorurteile, da sie oft falsch oder falsch begründet sind, zu einer Einschränkung der Wahrnehmung führen.

So ähnlich verhält es sich auch mit dem ersten Eindruck. Für ihn gibt es keine 2. Chance. Der erste Eindruck ruft auch den ersten Ausdruck hervor: Man begegnet freundlich empfundenen Menschen automatisch auch freundlich und ist somit wichtig für die erste Handlungssicherheit. Dennoch kann er falsch sein, da man unbewusst (in den ersten 10 bis 30 Sekunden) mit vergangenen erlebten Situationen/Personen Vergleiche zieht. Jeder Mensch ist anders. Niemand ist sofort ein Gewalttäter, wenn er gefährlich aussieht, weil er eine Narbe im Gesicht hat.

Der Mensch nimmt seine Umgebung, Personen und Handlungen über die folgenden Sinne wahr:

Sehen – Hören – Riechen – Tasten – Schmecken

Im Gehirn werden alle Sinne zusammengeführt und dort mit vorhandenen Erfahrungen verarbeitet bzw. verglichen. Daraus kann eine selektive Wahrnehmung entstehen, weil man bestimmte Dinge anders erwartet hätte, nur weil man es evtl. ähnlich schonmal erlebt oder es sich so vorgestellt hatte. Und auch unterschiedlich stark ausgeprägte körperliche Fähigkeiten können die Wahrnehmung trüben, zum Beispiel wenn man schlecht hört und nur aufgrund der Mimik etwas anders beurteilt. Daraus könnte der Sicherheitsmitarbeiter falsche Schlüsse ziehen und fehlerhaft handeln.

Desweiteren können persönliche Befindlichkeiten (seelischer Zustand) Auslöser für Verhaltensfehler im Dienst eine Ursache sein. Ist man zum Beispiel privat durch Stress frustriert, so sollte man im Dienst eventuelle Aggressionen nicht an anderen auslassen.

Verhaltensmuster in verschiedenen Tätigkeitsfeldern

Im Bewachungsgewerbe gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Situationen, welchen man im Einsatz als Sicherheitsmitarbeiter begegnet. Und da keine Situation der anderen gleicht, so gilt es sich an unterschiedliche Situationen anzupassen und das richtige Verhalten an den Tag zu legen.

  • Menschenansammlungen

Menschenansammlungen können in unterschiedlichen Größen und Formen auftreten. Im Bewachungsgewerbe trifft man auf sie im Veranstaltungsdienst, Sicherungs- und Ordnungsdienst im öffentlichen Raum oder aber auch im Objektschutz. Mal größer, mal kleiner – Hier die Unterschiede:

Gruppe: Unter eine Gruppe versteht man eine begrenzte Anzahl an Menschen, die gemeinsame Ziele haben, räumlich und zeitlich dafür zusammenarbeiten und ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl untereinander als zu anderen Gruppen haben. So können in einer Gruppe die einzelnen Personen unterschiedliche Aufgaben auf verschiedener oder gleicher Ebene haben, stimmen aber den Verhaltensregeln innerhalb der Gruppe überein. Dies ist eine formelle Gruppe, sie ist bewusst (vom Unternehmer) geschaffen um wirtschaftliche oder technische Erfordernisse zu stillen. Eine informelle Gruppe hingegen kommt aus freiwilligen, emotionalen und persönlichen Gründen zusammen.

Menschenmenge: Von einer Menschenmenge spricht man, wenn Menschen auf eine lockere Art der Zusammengehörigkeit bei Beobachtern den Eindruck erwecken, ein räumlich verbundenes Ganzes zu sehen. Die Anzahl der Personen in einer Menschenmenge ist auf den ersten Blick nicht genau überschaubar, also eine größere Anzahl (mind. ca 20 Personen) an Menschen. Aber eine große Anzahl an Menschen auf öffentlicher Straße erfüllt nicht den Tatbestand einer Menschenmenge, weil sonst jede belebte Straße mit hohem Fußgängerverkehr von einer Menschenmenge ausgegangen werden müsste.

Menschenmasse: Für den Umgang mit Menschenansammlungen ist die Menschenmasse die bedeutsamste! Eine Menschenmasse kennzeichnet sich dadurch aus, dass die Anzahl der Menschen nicht sofort überschaubar ist, aber die Aufmerksamkeit aller sich auf ein Ereignis lenkt – zum Beispiel auf eine Störung im Lichtnetz oder einen lauten Knall. Eine Masse kann sich ruhig verhalten, sich gruppieren oder gemeinsam in eine Richtung bewegen, etwa durch Angst oder Hass. Wenn sich letzteres ergibt, so spricht man von einer akuten Vermassung.

Bei einer akuten Vermassung können besondere Gefahren entstehen, häufig durch Panik (Lauter Knall, unüberlegtes Wort „Feuer!“), Schaulustigkeit, technischen Schadensfällen oder auch Gewalt. Beispiele, wo sich schnell eine akute Masse bilden kann und Gefahren entstehen sind:

  • Demonstrationen
  • Verkehrsunfällen
  • Betriebsversammlungen
  • Sonderverkäufen
  • Sportveranstaltungen
  • Konzerte
  • Stauungen am Ausgang/Vereinzelungen eines Unternehmens
  • persönlichen Ausseinandersetzungen

Besondere Situationen

  • Körperliche Ausseinandersetzungen

Grundsätzlich sollte man körperliche Ausseinandersetzungen vermeiden, indem man geschickt kommunziert und deeskaliert. Sind solche Ausseinandersetzungen nicht zu vermeiden, gelten folgende Grundsätze:

  1. Erst beobachten (Lagefeststellung), dann überlegen (Lagebeurteilung), und schließlich handeln (Entschluss) / siehe oben im Artikel!
  2. Überlegt beginnen! Verstärkung anfordern – Keine Alleingänge! -> Eigensicherung!
  3. Nur mit überlegtem und überlegenem Kräfteeinsatz einschreiten!
  4. Sich nicht nur auf die streitenden, sondern auch auf die umstehenden Leute konzentrieren.
  5. Nach Trennung der Beteiligten, diese außer Sicht- und Hörweite bringen.
  6. Keine Stellungnahme zu den Gründen, Ablauf oder die Folgen der Ausseinandersetzung abgeben.
  7. Nach Einleitung von Erste-Hilfe Maßnahmen und Zeugensuche am Ort der Ausseinandersetzung für Normalität sorgen ( Abläufe fortsetzen / Arbeit weiter machen ).
  • Paniksituationen

Panik bedeuted, dass sich ein Mensch oder eine Menschenansammlung in einer für sie lebensbedrohlichen Situation befindet und nur durch sofortige Flucht die Rettung des eigenen Lebens möglich wäre. Meistens wird Panik durch einen plötzlichen und überraschenden Sinnesreiz ausgelöst, zum Beispiel einem lauten Knall, Feuer oder Rauch. Nachfolgend könnten diese Reaktionen auftreten:

  • Zusammenzucken / Reaktion / Schrecksekunde
  • Energetisierung des Körpers (für die Flucht oder den „Kampf ums Überleben“)
  • Fluchtverhalten kann auch „kopflos“ sein.  (Ohne Nachzudenken in die falsche Richtung laufen etc.)
  • Schockstarre / Schrecklähmung
  • Fluchtverhalten (Panikverhalten) überträgt sich auf andere Anwesende

Während einer Panik, die im Regelfall nicht länger als 3 Minuten anhält, besteht eine erhöhte Unfallgefahr. Ursachen sind zum Beispiel Staudruck (vor Türen, oder Hindernissen), Stolperrisiko (zu schmale oder hohe Stufen) oder auch beim Strömungsstau. Bei zu schmalen Notausgängen – oder gar zu wenigen – (Flaschenhals-Effekt) ist das Risiko einer Gefahr noch stärker erhöht.

Vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung einer Panik können technisch, organisatorisch und personell festgelegt werden bzw. sind gesetzlich vorgeschrieben:

  • Überprüfung sämtlicher Fluchtwege, Notausgänge, Notbeleuchtungen
  • Zustandskontrollen von Wellenbrechern, Vereinzelungen, Geländer, Sitzen, Beschilderungen, Brandschutz-Einrichtungen, Sammelplätzen etc.
  • Einlasskontrollen samt Überprüfung auf gefährlichen Gegenständen wie Waffen, Feuerwerkskörpern etc.

Maßnahmen während einer Panik sind:

  • Warnungen an Menschenansammlungen sollte immer mit einer Handlungsanweisung verbunden sein und stets als Gebot und nicht als Verbot formuliert werden. Man muss den Menschen versuchen die Angst zu nehmen.
  • Menschen, die der Gefahr entkommen sind, drängen manchmal darauf zur Gefahrenstelle zurückzukehren. Diese würden sich aber wieder in Gefahr begeben und evtl. noch Rettungskräfte behindern. Nicht zurückgehen lassen!
  • Anfahrtswege für Hilfskräfte frei halten und Einweisen
  • Ruhe ausstrahlen, den Menschen Hoffnung machen und Trost spenden
  • Gerüchte nicht weitertragen oder bestätigen
  • Demonstrative Aktionen (Demos)

Im Bewachungsgewerbe kommt es bei vielen Kunden, also Unternehmen, zu Demonstrationen, bei welchen betriebliche Abläufe oder Veranstaltungen gestört werden sollen. Dieser Störungsversuch kann von einer Einzelperson, vereinzelten Personen oder auch einer Gruppe ausgehen.

Taktik „Provokation-Eskalation“

Eine Gruppe von Störern sind umkreist von Sympathisierenden, welche wiederum von neutralen (unbeteiligten / neugierigen) Personen umschlossen sind. Die Störer werden aktiv indem sie:

  • beleidigen
  • durch Sprechchöre stören
  • rhytmisch klatschen
  • Transparante mit Botschaften ausrollen
  • Gegenstände auf Umstehende schleudern

Somit steigern sie bei den umstehenden – also den sympathisierenden und neugierigen – Menschen die Spannung und Erregung, weil sie ein Freund-Feind-Schema (Wir sind die Guten (Freund), die anderen die schlechten (Feind) aufbauen. Das führt dazu, dass der Ordnungsdienst, der zu dem inneren Kreis der Störer durchdringen muss, bei einem Fehlverhalten (zum Beispiel durch unverhältnismäßige Gewalt) auch bei den umstehenden Menschen für Missmut sorgen können und diese sich mit den Störern solidarisieren. Es hängt also viel davon ab, wie man auf die Störer reagiert. Hier 10 Grundsätze für das Verhalten bei Demonstrationen:

  1. Eigensicherung beachten!
  2. Nicht provozieren lassen!
  3. Nicht hektisch werden!
  4. Differenzieren!
  5. Ungehörige Bemerkungen unterlassen!
  6. Funkdisziplin wahren!
  7. Immer an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit denken!
  8. Sachverhalte erfassen, Beweismittel sicherstellen!
  9. Keine übertriebene Kameradschaft zur Schau stellen!
  10. Vorgesetzten anvertrauen!